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Die Prinzipien des Luxus

Dem Themenkomplex „The Creation of the Extraordinary – Perspectives on Luxury“ widmet sich Dr. Hannes Gurzki, Program Director der European School of Management and Technology und Gewinner des 21. Wissenschaftspreises des Markenverbandes, mit drei aufeinanderfolgenden Artikeln. In dieser Ausgabe nähert er sich der Antwort auf die Frage, was die Essenz von Luxus ausmacht.

Das Wachstum der globalen Luxusindustrie ist unaufhaltsam. Nach oben gibt es keine Grenzen ‒ von den Schuhen von Michael Jordan, die einen Rekorderlös von $615,000 bei einer Christies Auktion erzielt haben, dem Non-Fungible Token zu Beeple’s digitalem Kunstwerk „Everydays: the First 5000 Days“, der für knapp $69.3 Millionen verkauft wurde bis hin zu einem der begehrten Plätze für zivile Weltraumreisen bei Jeff Bezos‘ Blue Origin oder Elon Musk‘s SpaceX. Alleine aus den letzten beiden Jahren gibt es verschiedene Beispiele die veränderte und neue Formen des Konsums und neue Höhen der Zahlungsbereitschaft für besondere Objekte und Erlebnisse zeigen. Doch was macht diese Objekte und Erlebnisse so besonders und verleiht ihnen eine so hohe Attraktivität und einen solch hohen Wert bei ihren Zielgruppen? Alle Beispiele vereint, dass sie den Prinzipien des Luxus folgen.

Doch was ist Luxus eigentlich? Mit dieser Frage, was die Essenz von Luxus ausmacht beschäftigt sich die Arbeit „The Creation of the Extraordinary – Perspectives on Luxury“, die in diesem Jahr mit dem Wissenschaftspreis des Markenverbandes ausgezeichnet wurde. Luxus ist ein komplexes Phänomen, das verschiedene Dimensionen umfasst. Im Kern ist Luxus etwas Außergewöhnliches. Dies lässt sich aus der Begriffsgeschichte des Wortes ableiten, in der luxuria eine Abweichung der normalen Standards charakterisiert. Der Begriff und damit auch unser Verständnis von Luxus haben sich im Laufe der Geschichte entwickelt. Zu moralischen und politischen Diskursen, die seit Beginn unser Verständnis von Luxus prägen, sind im Laufe der Zeit viele Perspektiven hinzugekommen. Nicht zuletzt hat das interdisziplinäre Forschungsfeld der Luxusforschung rasant an Popularität hinzugewonnen. Innerhalb dieses Forschungsfeldes gibt es verschiedene Disziplinen, die zu unserem vielschichtigen Verständnis der Dimensionen von Luxus beitragen. Jede Disziplin hat dabei eine charakteristische Perspektive aus der sich Luxus von Nicht-Luxus als etwas Außergewöhnliches unterscheidet. Dieser Vergleich hilft Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und damit ein umfassenderes Verständnis zu gewinnen, was Luxus, Luxusmarken und Luxusmarkenmanagement ausmacht.


Die erste Dimension ist die des Luxuskonzepts. Sie charakterisiert die Außergewöhnlichkeit und Einzigartigkeit von Luxus aus Sicht der Konsumenten. Zwar ist diese Sichtweise immer subjektiv und individuell, aus dem gemeinsamen Kontext lassen sich jedoch übergreifende kulturelle und soziale Prinzipien ableiten, die unser kollektives Luxusverständnis prägen und die Ausgestaltung der anderen Dimensionen beeinflussen. Die zweite Dimension ist die des Luxusobjekts und des Luxuserlebnisses.

Diese sind charakterisiert durch ihre Seltenheit, Qualität, Veredelung und einen quintessenziellen Charakter. Luxus ist aus der Perspektive der Wahrnehmenden immer etwas nicht-alltägliches und besonderes, was auch erklären kann, warum es so viele verschiedene Wahrnehmungen darüber gibt, was letztendlich Luxus ist und was nicht. Die dritte Dimension ist die der kulturellen, sozialen und individuellen Erzeugungsmechanismen einer Luxuswahrnehmung. Hierbei ist die Erzeugung von Begehrlichkeit entscheidend, über die Mechanismen der kulturellen Aufladung der Marke mit Geschichten und einer magischen Aura, der Erschaffung von Status und der Erzeugung von einzigartigen Gefühlen bei den Konsumenten.

Ein Luxusauto ist nie nur ein Fortbewegungsmittel, eine Luxustasche nie nur eine Möglichkeit Dinge zu verstauen. Luxusprodukte sind mehr als das ‒ sie sind materialisierte Träume, Fantasien und Ambitionen. Die vierte Dimension ist die der Luxuswirkung, und der hohen Wertwahrnehmung, die Luxus erzeugen kann. Luxus erzeugt eine hohe Wertwahrnehmung und Luxusprodukte haben einen hohen Preis. Ein hoher Preis allein, ohne Berücksichtigung der Luxusprinzipien, wird jedoch nicht zu Luxus führen. Die Erzeugung der Wertwahrnehmung ist der entscheidende Schritt.

Die fünfte Dimension ist die der Luxuserschaffung und Markenführung von erfolgreichen Luxusmarken. Diese ist darauf ausgerichtet die anderen Dimensionen so exzellent und konsistent wie möglich umzusetzen und so den Luxus zu erschaffen. Luxus entsteht dann, wenn all diese Dimensionen für die Zielgruppe anhand der Luxusprinzipien außergewöhnlich gestaltet sind, und miteinander harmonieren.

Während sich Luxus und unsere Wahrnehmung und Beurteilung von Luxus im Laufe der Zeit immer wieder mit dem Zeitgeist verändert hat, sind diese Prinzipien weitestgehend zeitlos. Das Verständnis der Historie von Luxus ermöglicht es uns, die Elemente zu identifizieren, die eine hohe Wertwahrnehmung ausmachen und neue Formen von Luxus zu gestalten. Daraus ergeben sich zentrale Fragen für die Markenführung von Luxusmarken und für Marken, die ihre Wertwahrnehmung stärken wollen:

1. Luxuskonzept: Was bedeutet Luxus für unsere Marke und unsere Zielgruppen?

2. Luxusobjekt (-erlebnis): Was macht unsere Marke und unsere Produkte und Erlebnisse außergewöhnlich und einzigartig? Wodurch entstehen Seltenheit, Qualität, Veredelung und der quintessenzielle Charakter?

3. Luxuswahrnehmung: Wie erzeugen wir Begehrlichkeit für unsere Marke? Welche Fantasien und Träume verkörpern wir in unseren Geschichten? Wie erschaffen wir sozialen Status? Wie erzeugen wir einzigartige Gefühle bei unseren Zielgruppen?

4. Luxuswirkung: Was kreiert einen außergewöhnlichen Wert für unsere Kunden? Wie gestalten wir unsere Preise optimal, um die Wertwahrnehmung zu stärken?

5. Luxuserschaffung: Welche Elemente sind in der Ausgestaltung von Luxus für uns entscheidend? Wie stellen wir sicher, dass wir diese konsequent und konsistent zueinander umsetzen, um einen langfristigen Markenaufbau zu fördern?


In der nächsten Ausgabe: Wie erzeuge ich eine Luxuswahrnehmung und -wirkung?
In der übernächsten Ausgabe: Was sind die Erfolgsfaktoren der Luxuserschaffung und -markenführung?