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Individueller Luxus mit Mehrwert

Welche Chancen aber auch Herausforderungen das Thema Individualisierung für die Luxusbranche mit sich bringt, darum ging es beim 15. Forum Luxus.Marke.Lebensstil in Köln. Exemplarisch wurde dabei über die Veränderungen in der Duft- und Schmuckbranche gesprochen.

In Köln stand der Höhepunkt des Karnevals bevor. Es gab wohl kaum ein Kostüm, das es nicht gibt. Funkenmariechen, Indianerhäuptling, Ballonseidenprolet, Knastbraut – der Fantasie sind und waren keine Grenzen gesetzt. Auch im Dufthaus von 4711 in der Glockengasse war man auf die Karnevalssession vorbereitet und zollte den Jecken Tribut. Im Fenster: ein Original-Eau-de-Cologne-4711-Kostümunikat. Sehr individuell in den typischen aquamarinblau-goldenen Farben des bekannten „Wunderwassers“ aus der Domstadt am Rhein.

Dufte Nischen finden

Ein perfekter Rahmen, um beim 15. Forum Luxus.Marke.Lebensstil des Markenverbandes am 6. Februar über das Thema „Individualisierung, Customization (und Co-Creation)“ zu sprechen, denn das Thema bewegt nicht zuletzt die Duftbranche, wie Steffen Seifarth, CEO der 4711-Mutter Mäurer & Wirtz, erläuterte. Viele Anbieter versuchen sich hier hervorzutun – mit unterschiedlichen Konzepten: Frau Tonis Parfum aus Berlin verspricht zum Beispiel ‚Customized Perfume‘ in 90 Minuten, Stéphanie de Bruijn aus Paris veranschlagt mindestens zwei Treffen und einen Monat Recherche für die Zusammenstellung eines einzigartigen Parfüms. Das hat seinen Preis. So zahlen die Kunden bei der Designerin aus Frankreich schnell einen fünfstelligen Betrag für die individuelle Duftnote.

Auch bei 4711 haben die Kunden die Möglichkeit, ihr eigenes Parfum zu kreieren – unter professioneller Anleitung. Denn es ist gar nicht so leicht, aus Einzelstoffen eine Komposition zu erstellen, die am Ende auch olfaktorisch überzeugt.
Dass Düfte zu kreieren Zeit braucht und ein Parfumeur dafür viele Jahre trainiert, erklärte Alexandra Kalle, Head of Fragrance Development. Und selbst dann ist Erfolg in dieser Branche kaum planbar. Der Großteil der Neuheiten verschwindet innerhalb von drei Jahren wieder aus den Regalen.
Steffen Seifarth erläuterte, dass der Markt sich verändert und ein klarer Trend zu Nischenkonzepten erkennbar sei. Deshalb könnten sich die Parfümerien mit solchen besonderen Portfolios von der Konkurrenz differenzieren, denn die Kunden würden sich Individualisierung wünschen.


Individualität in Produkt, Kommunikation und Service
Wie sehr, das machte auch Jan-Piet Stempels, Executive Board Member beim Juwelier Gerhard D. Wempe, in seinem Vortrag deutlich. Aufgrund der sich ändernden Kundenwünsche müsse sich auch das Unternehmen anpassen – bei den Produkten, in der Kommunikation und im Service. So seien ein Viertel aller 2019 im Wempe-Atelier angefertigten Schmuckstücke individuelle Einzelanfertigungen – davon 1.000 komplett eigenständige Neukreationen. Vor allem in solchen Einzelanfertigungen für Top-Kunden sieht er Potenzial für weiteres Wachstum. Daneben gelte es aber auch, die Kommunikation zu individualisieren. Wichtig seien eine Kontextualisierung von Produkten und Leistungen sowie die Transformation des Marketings hin zu einer Redaktions-Unit. Ein Beispiel sei das neue Kundenmagazin „Selected by Wempe“, mit dem man sich als Kurator positioniere. Geplant seien zudem die Aufsetzung eines integrierten, lernfähigen Datenmodells zur Ein- und Abgrenzung von Bestands- und Potenzialkunden sowie ein Komplett-Relaunch des CRM-Systems. Wempe wolle so ein relevantes Individualisierungsniveau in der Kommunikation erreichen, betonte Stempels. Und auch im Service will er noch deutlich individueller werden und plant unter anderem den Aufbau eines eigenen Wempe Asset Managements, das sich unter anderem um die Versicherung, Verwahrung oder Verwaltung der Schmuckstücke kümmert, sowie eines eigenen Concierge-Services. Der Service sei das Rückgrat des zukünftigen Geschäftsmodells.

Wempe sehe sich als empathischer Experte und Kurator aus Leidenschaft und diese Tradition gelte es zu professionalisieren, betonte Stempels. Und er ergänzte, dass Individualisierung weiter gedacht werden müsse, denn jede Transaktion ende nicht mit dem Verkauf. Jede Beziehung zum Kunden auch darüber hinaus sei entscheidend für den künftigen Erfolg. Genau deshalb entwickle man beziehungsorientierte Geschäftsmodelle.

Die Notwendigkeit des Überflüssigen

Neben den beiden Einblicken in konkrete Marken-Cases gab es beim Luxusforum auch einen Vortrag von Jens Lönneker, Geschäftsführer Rheingold Salon. Er sprach dabei über die „Notwendigkeit des Überflüssigen“. Indem man sich Überflüssiges gönne, befreie man sich von Beschränkungen und der narzisstischen Kränkung. Luxus würde Kultur und Narzissmus zusammenbringen, betonte der Diplom-Psychologe. Dabei schafft Luxus auch gesellschaftlichen Mehrwert und sorge für Innovation. So sei zum Beispiel Tesla ein Innovationstreiber und treibe den Markt für Elektromobilität an. Auch von Luxusmarken würde zunehmend erwartet, dass sie Creator bzw. Lösungsentwickler sind. Lönneker betonte, dass Luxus zwar das Gegenteil des Notwendigen sei – wenn damit aber eine Entwicklung einhergehe, die Mehrwert schafft, würde Luxus auch Akzeptanz finden.

Autorin: Vanessa Göbel