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Chinesische Konsumenten – was sie antreibt und was sie bewegt

Der chinesische Markt für Luxusgüter folgt ganz eigenen Regeln, getrieben von einer jungen und technikaffinen Kundenstruktur in Verbindung mit zunehmender Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen. Madlien Lorenz, Managing Consultant bei EAC International Consulting, analysiert die chinesischen Konsumenten. Im Rahmen ihrer Tätigkeit lebte und arbeitete sie selbst sechs Jahre in Shanghai.

Der chinesische Konsument: Streben nach digitalen Emotionen und Wertschätzung

Luxuslabel boomen in China. Der chinesische Markt für Luxuskonsumgüter bricht regelmäßig neue Verkaufsrekorde. Und die „Customer Journey“ ist vermutlich in keinem Land so digital geprägt wie in China. Gleichzeitig aber tickt der chinesische Luxuskonsument scheinbar ganz anders als westliche Pendants – Umsatzrekorde werden in Sekunden oder Minuten durch Online-Mobile-Shopping gebrochen, die jährlichen Shopping-Highlights fallen auf Tage wie den 18. Juni oder 11. November und die Kundenschicht ist gut zwei Jahrzehnte jünger als im Westen. Immer mehr Luxuslabels versuchen deshalb herauszufinden, wie die Lust auf Edles und Extravaganz der chinesischen Konsumenten gestillt werden kann. Natürlich gibt es keinen „one-size-fits-all Approach“ für den chinesischen Luxuskonsumenten, doch wer es schafft, „digital – emotional – lokal“ aufzutreten, hat ein hohes Erfolgspotenzial.


100 Maserati – in 18 Sekunden online verkauft

100 Maserati, verkauft in 18 Sekunden. 300 TOD‘s Handtaschen für 1.620 USD das Stück, verkauft in weniger als sechs Minuten. WeChat als integrierte Plattform-App mit mehr als 1 Milliarde aktiver Nutzer und oftmals Grundlage für viele der Luxusrekordverkäufe. Drei Beispiele, die eindrucksvoll zeigen, zu welcher Größe und Bedeutung sich der chinesische Markt für Luxusgüter mittlerweile entwickelt hat. Chinesen konsumieren im Akkord, der Preis scheint keine Rolle zu spielen. Wen wundert es da, dass China, immer noch bekannt als verlängerte Werkbank des Westens, mittlerweile für ein Drittel der globalen Ausgaben im Luxussegment verantwortlich ist. Prognosen besagen, dass dieser Anteil bis 2025 sogar etwa die Hälfte des globalen Luxusmarktes ausmachen wird.

Die chinesischen Premiumkunden sind sich ihrer Bedeutung für den weltweiten Handel längst bewusst und erwarten bei internationalen Luxusmarken Beachtung für ihre individuellen Bedürfnisse. Vorbei sind die Zeiten, in denen für den Westen entwickelte Produkte als „made in Germany“ oder „made in France“ praktisch automatisch in China auf große Nachfrage stießen. Chinesische Kunden werden wählerischer und streben zunehmend nach speziell für sie entwickelter Ware. Der Drang nach Produkten mit großflächig plakatierten Labels ist vorbei, auch wenn es diesen in ländlichen Regionen noch immer gibt. In den großen Metropolen fordert der chinesische Konsument Individualität und Exklusivität. Einkaufen muss ein Happening mit Erlebnisfaktor sein.

Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen den Kunden im Luxussegment in China im Vergleich zu anderen Regionen immens: Während im Westen Weihnachten, Sommer/Winter Sales, Sportevents oder auch der Black Friday als Großereignisse des Konsums zählen, sind in China ganz andere Ereignisse von Relevanz. Der von Alibaba eingeführte „Single Day“ am 11.11. jeden Jahres bricht jährlich neue Rekorde und hat sich mittlerweile als weltgrößter online und offline Shopping-Tag der Welt etabliert. In 2017 wurden an nur einem Tag über 25 Milliarden USD umgesetzt. Als Gegenstück dazu zählt JD.com’s 618 Shopping-Fest – benannt nach dem Gründungstag vom 18. Juni. Dieses Jahr erzielte auch dieses Ereignis Umsätze von knapp 25 Milliarden USD.

Zudem weist China eine wesentlich jüngere Kundenstruktur auf: Während in China der Durchschnittskunde für Luxusgüter im Schnitt erst 33 Jahre alt ist, hat das Gros der Luxuskunden in Europa und den USA ein Alter von 47-58 Jahren. Dementsprechend höher ist auch die online-Affinität chinesischer Kunden – und die „Customer Journey“ damit auch wesentlich digitaler geprägt. Getrieben durch eine technikaffinere Konsumgesellschaft sowie nur bedingt verfügbaren Zugang zu Konsumgütern, kaufen über 90 % der Kunden Luxuswaren regelmäßig online.

Und auch Frauen spielen eine wesentlich größere Rolle bei den Einkaufsentscheidungen im Reich der Mitte: Fast die Hälfte der chinesischen Porsche-Kunden sind Frauen, im Vergleich zu nur etwas über 20 % in den USA.

Digital, emotional, lokal – Chinesen wollen Exklusivität, Individualität und Erlebnisse

Wie also können chinesische Luxuskunden erfolgreich erreicht werden? Die internationale Unternehmensberatung EAC International Consulting hat dazu im Rahmen einer umfangreichen China-Studie im Bereich Consumer Goods drei klare Ziele definiert:

• digitale Erlebnisse
• Personalisierung
• die Botschaft „China matters“

Digitale Erlebnisse:

Digitalisierung ist aus dem Alltagsleben der Chinesen nicht mehr wegzudenken. In China ist es problemlos möglich, ohne Geldbörse und lediglich mit dem Handy das Haus zu verlassen. Den Snack am Straßen-Imbiss, die Taxifahrt, das Obst auf dem Markt und die Supermarkteinkäufe können allesamt bequem mit dem Smartphone und einer App bezahlt werden. Komplette Supermärkte und Restaurants funktionieren mittlerweile ohne Personal – alles wird per Klick über das Smartphone gesteuert. In China sprechen wir nicht mehr nur von O2O (Online-to-Offline) sondern von O2O2O (Online-to-Offline-to-Online) Konsumverhalten.

Mit 小红书 („kleines rotes Buch“) hat kürzlich ein, als reine Online-Bewertungsplattform konzipiertes Geschäft, einen eigenen Store eröffnet. Mehr und mehr Luxusunternehmen kombinieren ihre Onlineauftritte mit ‚experimentellen Events‘ in ihrem Store. So veranstaltet Lancôme beispielsweise in China regelmäßige exklusive Make-Up Sessions mit beliebten Beauty Bloggern in diversen Läden. So genannte KOLs (Key Opinion Leader) stellen insbesondere bei jungen chinesischen Konsumenten im Alter zwischen 18 und 34 Jahren die Haupteinflussquelle in der Entscheidung für oder gegen eine Marke dar.

Personalisierung:

Die Möglichkeit, Produkte für den Konsumenten individuell gestalten zu können, führt nicht nur zu einem höheren Interesse chinesischer Kunden, sondern erhöht gleichzeitig auch die Identifizierung der Kunden mit der jeweiligen Marke und verknüpft die Marke mit Emotionen.
In China werden Brand Storytelling wie auch Marken-Kommunikationen mehr und mehr auf Social-Media-Plattformen wie WeChat, Weibo und Douban verlegt. Auch Social-Commerce-Plattformen wie Pinduoduo oder auch Kurzvideo-Apps wie Kuaishou und Douyin bieten Marken Zugang zu meist 100 – 500 Millionen aktiven Nutzen (bzw. WeChat mit 1 Milliarde) – trotz ihrer meist kompletten Unbekanntheit im Westen. Zudem bieten diese Plattformen verschiedenste Möglichkeiten, um Produkte von den chinesischen Konsumenten individuell anpassen zu lassen.

So hat Longchamp einen „Longchamp Customized Boutique Shop“ in WeChat eröffnet, der auch per QR-Code in den Longchamp-Geschäften geöffnet werden kann. Auch WeChat „Exclusives“ in Kooperation mit führenden KOLs bieten eine exzellente Verkaufsoffensive – Givenchy hat auf diese Weise sieben exklusive Handtaschen-Designs vermarktet, MINI hat 100 limited edition Countryman innerhalb von weniger als vier Minuten verkauft. Gleichzeitig erhöht die Präsenz in sozialen Medien auch die emotionale Bindung an eine Marke. Und Emotionen – in der Vergangenheit oft in einer dynamisch voranschreitenden Gesellschaft unterdrückt – spielen bei den Chinesen eine immer größere Rolle.

Identifikation mit China:

Mit steigendem Wohlstand wächst auch ein gewisser Nationalstolz in China heran – nicht bezogen auf Politik oder die Wirtschaft, sondern bezogen auf Herkunft, Tradition und Kultur des Landes und der Menschen. Erfolgreich hierbei sind zum einen Unternehmen, die mit traditionellen chinesischen Materialien oder Mustern arbeiten, aber auch jene, die sich an sozial-relevanten Themen orientieren. Auch hierbei geht es am Ende darum, den Konsumenten emotional zu berühren und zu zeigen, dass man Chinas Kultur und die rasante Entwicklung des Landes sowie dessen Bedeutung weltweit zu schätzen weiß.

Chinesische Investitionen im Ausland – auf dem Vormarsch im Luxussegment

Doch nicht nur chinesische Konsumenten, sondern auch Unternehmen und Investoren interessieren sich vermehrt für das Luxussegment. Getrieben durch die immer steigende Nachfrage chinesischer Kunden nach neuen Luxusprodukten und viel mehr noch „Erlebnissen“ begannen chinesische Unternehmen schon vor Jahren in westliche Luxushäuser zu investieren. Das Jahr 2015 sah erste große Investitionen in die Reise-Industrie als die Anbang Insurance Group das Waldorf Astoria in New York übernahm und die Fosun Group Club Med. Gefolgt sind Investitionen in Fashion-Labels, u. a. Karl Lagerfeld, Aquascutum oder Vivienne Tam.

Doch Chinesen wollen mehr, sie streben nach ‚Experiences‘. Nicht selten sieht man Luxus-Spa für Kinder, Wochenende-Hotels für Haustiere oder Elite-Ferienprogramme. Für die Jungs sind das oftmals Sommertrainings bei den führenden Fußball-Clubs Europas – für die Mädchen Reitunterricht. Wie subtil chinesische Investitionen dabei oft getätigt werden, zeigt der neue Pferde-Freizeitpark Equilaland in München.

Als der deutsch-amerikanische APASSIONATA-Gründer Peter Massine nach Finanzierungsmöglichkeiten für eine Pferde-Erlebniswelt suchte, finanzierte der chinesische Investor Hongkun, ein großer Immobilien-Investor, nicht nur, sondern übernahm fast 99 % des Unternehmens. Aus rechtlichen Gründen wurde der Name der Pferde-Show zu EQUILA umbenannt, der Freizeitpark in EQUILALAND. Hinweise auf den chinesischen Eigentümer findet man kaum.

Man strebe an, auch nach China zu expandieren, zunächst liegt der Fokus jedoch auf Europa, heißt es seitens der Geschäftsführung. Und auch mit diesem Fokus lockt man bereits chinesische Kunden an – oftmals natürlich in teuerster Luxus-Montur, in der lediglich das Gefühl für das Pferd noch trainiert werden muss. Ein Erlebnis, das es definitiv wert ist, auf WeChat Moments mit Freunden in China geteilt zu werden.

Autor: Madlien Lorenz