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Einblicke in das Luxussegment der Private Collectors

Bild unten links: Joseph Tong, Strata Obscura

Den Kunstmarkt bestimmten nicht nur die öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten von Auktionshäusern und Museen, sondern gerade auch das Engagement von privaten Sammlern. Dr. Achim Onur, Geschäftsführer der GF Agency, gibt interessante Einblicke in die komplexe Struktur des Kunstmarktszenarios, das sich abseits der öffentlichen Wahrnehmung bewegt und dabei eine wesentliche Rolle bei der Förderung zeitgenössischer junger Kunst spielt.

Herr Dr. Onur, als Art Advisor und Kunstexperte bewegen Sie sich seit vielen Jahren im Off-Market-Segment des Kunstmarktes. Wie darf man sich diesen Off-Market-Bereich denn vorstellen?

Dr. Achim Onur: Wenn man vom Kunstmarkt spricht, fokussiert man in der Regel sämtliche öffentlichen Institutionen, die zur Motorik des Kunstmarktes gehören und diesen auch weitgehend determinieren, wie etwa die Galerien, die internationalen Auktionshäuser, wie etwa Sotheby’s und Christie’s, sowie Kunstmessen. Allein über diese Kanäle beliefen sich im Jahr 2016 die Kunstverkäufe weltweit auf 40,13 Milliarden Euro. Die mediale Berichterstattung beschränkt sich in der Regel auf die öffentlich nachvollziehbaren Aktivitäten, die sich insbesondere in den Auktionsergebnissen niederschlagen. Abseits dieser öffentlichen Mechanismen, die die offizielle Taktung des Kunstmarktes vorgeben, gibt es meines Erachtens eine weitaus komplexere Struktur im Kunstmarkt-Szenario, die sich abseits jeglicher öffentlichen Wahrnehmung bewegt. Hier sind sämtliche Interaktionen in rein privater Hand der Sammler.

Sämtliche Kunstabwicklungen bewegen sich von privater Hand zur privaten Hand. Da die Kommission nur an einen Vermittler zu entrichten ist, der den Brückenschlag zwischen Eigentümer und Investor herstellt und die Abwicklung begleitet, erweisen sich Transaktionen im Off-Market-Segment für beide Seiten als weitaus attraktiver. Vor allem neue, vermögende Sammlerschichten aus China und Indien verfügen, neben Russland und dem kleinasiatischen sowie arabischen Markt, über das Potenzial, den Kunstmarkt zu verändern. Diese Kräfte sind Ausdruck einer stark wachsenden Tendenz zur Privatisierung. Durch die Finanzkrise angeregt sehen Sammler gerade im Erwerb von Kunstwerken oder Konvoluten eine sinnvolle Investition mit höchst attraktiven Wertzuwächsen. Im Fokus stehen allem voran die stets begehrten und raren „Blue Chips“ auf dem hochpreisigen Kunstmarkt, die von den bekanntesten Künstlern aus der Phase des Impressionismus, Expressionismus, der klassischen Moderne, der New York School, Pop Art, Minimal Art oder Neo-Dada definiert werden.

Hier bestimmen Angebot und Nachfrage den Markt und den Preis. Herausragende Masterpieces und Werke musealer Qualität werden zumeist als reines Investitionsgut betrachtet. Bevor eine Verkaufsabwicklung in diesem exklusiven Segment überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, sollten alle obligatorischen Dokumente wie Provenienz, Expertise und ein aktueller Condition Report vorliegen. Integrität, Seriosität und entsprechendes Fachwissen sowie Erfahrungen im internationalen Radius zeichnen wiederum den Experten aus, der beide Parteien zusammenbringt und für eine erfolgreiche und zielsichere Abwicklung sorgt.

Was für eine Rolle spielt dabei die zeitgenössische, junge Kunst oder ist dieser Markt nur den renommierten Meistern der Moderne vorbehalten?

Dr. Achim Onur: Das nur schwer zu erfassende Contemporary-Art-Szenario nimmt selbstverständlich einen wichtigen Status ein, jedoch wirken hier andere Gesetzmäßigkeiten. In diesem Bereich ist gerade der Kunstexperte in besonderem Maße gefordert, da es primär darum geht, die Geldmittel auch entsprechend sinnvoll einzusetzen und oberflächliche Strömungen oder kurzlebige Tendenzen von wirklich substanzhaltigen Werken, die einen entsprechenden Marktbestand entwickeln werden, zu differenzieren. Dies erfordert nicht nur eine umfangreiche Kenntnis über die aktuelle internationale Kunstszene, die einer starken Dynamik sowie Fluktuation unterworfen ist, es erfordert stets den persönlichen Einblick in die Ateliers der Künstler und deren Projekte, sowie die begleitenden Sammler und Sponsoren.

In diesem ebenso bewegten, sowie für viele Außenstehende diffusem Segment sind ein entsprechendes Feingefühl sowie jahrelange Erfahrungswerte erforderlich. Es gleicht der Degustation eines vielversprechenden Weines, wobei olfaktorische Exzellenz, ein subtiler Gaumen und die nötige Nase für den Markt zusammenkommen. Sowohl der Scharfsinn als auch die Intuition wirken gleichermaßen – so ist der Kunstexperte in der Lage, die Quintessenz künstlerischer Prozesse gezielt zu erfassen, ihre Wertigkeit hinsichtlich des Marktes zuzuordnen sowie ihre Entwicklung zu prognostizieren.

 



Bild oben: Joseph Tong, Substitute for Sorrow

Ist Substanzhaftigkeit und Wertewachstum einer aktuellen künstlerischen Arbeit überhaupt feststellbar? Gibt es da Sicherheiten oder Regularien?

Dr. Achim Onur: Das Verlangen nach Sicherheiten ist symptomatisch in einem Themenbereich, der im Kern vom Esprit der Innovation getragen wird. Die Entfaltung neuer Entwicklungen verträgt sich nicht mit einer so passiv-statischen Begrifflichkeit wie die der Sicherheit. Der Besitz von künstlerischen Originalen bereitet dem kunstaffinen Menschen mit Sicherheit eines: nämlich eine besonders intensive Form der Lebensfreude. Selbstverständlich kann in Kunst investiert werden wie in Aktien, Edelmetalle oder Immobilien und so manche Karriere junger Künstler gleicht einer Aktienemission der New Economy. Deshalb wird der jüngere Kunstmarkt auch gezielt von spekulativ kaufenden Sammlern frequentiert.

Abseits der musealen und galeristischen Indikatoren, die einen Wertemaßstab definieren können, gibt es hinsichtlich der jungen Kunstszene sehr wohl interne Parameter, die einen noch nicht nach außen kommunizierten Wertezuwachs implizieren. Es gibt sehr wohl Künstler, die zwar noch nicht im öffentlichen Rampenlicht stehen, jedoch global privat gesammelt werden, darunter von renommierten Privatsammlern. Ein solcher Künstler ist beispielsweise Joseph Tong. In Hongkong geboren, in London studiert, lebt und arbeitet er als Künstler in Berlin. Seine zumeist großformatigen Werke eröffnen vollkommen neue Wahrnehmungsmöglichkeiten und werden von einem einzigartigen ästhetischen Spirit getragen. Die Art wie er mittels der Schichtung von Farbfolien und Materialien, wie Aluminium oder Kompositions-Konstellationen von chinesischem Seidenpapier, choreographiert und das Zusammenspiel mit Tusche sind großartige künstlerische Kompositionen mit Entfaltungspotenzial. Noch zieren seine Installationsarbeiten und Malereien weltweit private Villen und Wohnungen und sind in handverlesenen Ausstellungen zu sehen. Die globale Nachfrage und Resonanz bewegt sich in entsprechend exklusivem Rahmen. Der Switch in renommierte museale Institutionen ist hierbei nur eine Frage der Zeit.

Prinzipiell erweist sich das Erwerben aktueller künstlerischer Strömungen in jeglicher Hinsicht als ein Gewinn und als eine Bereicherung. Man erfreut sich an einem einzigartigen künstlerischen Unikat, hat einen persönlichen emotionalen Zugang zum erworbenen Werk, das zumeist die eigene Inspiration anregt oder zum Wohlbefinden beiträgt. Zudem ist es nicht nur ein fester Bestandteil der eigenen Lebenswelt, sondern auch eine Facette des Kunstmarktes, der mit dem Werdegang des noch lebenden Künstlers einen entsprechenden Wertzuwachs erfährt. Diesen Habitus hat Andy Warhol mit folgendem Leitgedanken treffsicher festgehalten: „Kunst besteht in der Kunst, Kunst zu machen. Und die Kunst, Geschäfte zu machen, kommt gleich nach der Kunst, Kunst zu machen.“