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Das Meisterstück – wie gelingt Montblanc der Sprung in den Olymp der Luxusuhren?

Wir sprachen mit Oliver Gößler, Deutschlandchef von Montblanc, nach dem Genfer Uhrensalon SIHH über Innovation, Wandelbarkeit und den sprunghaften Erfolg des Schreibgeräteherstellers im Luxusuhrenmarkt.

Montblanc begann 1906 mit Füllfederhaltern. Wo wären Sie heute, wenn Sie allein diesem Geschäftsfeld treu geblieben wären?

 

Ich bin schon sehr davon überzeugt, dass wir ohne ständige Anpassung und vor allem ohne Innovation als Marke so nicht mehr existieren würden. Wir sind heute eine Luxury Male Accessories Brand, unsere Produkte sind Companions, mit denen unsere Kunden eine enge Beziehung eingehen. Sie begleiten sie durchs tägliche Leben. Morgens lege ich den Gürtel an, stecke das Schreibgerät ins Jackett, nehme meine Armbanduhr ums Handgelenk und greife zur Aktentasche.

 

Sie haben vor ein paar Jahren die Schweizer Uhrenmanufaktur Minerva gekauft und mit dem Manufakturkaliber R 100 eine neue Preis- und Qualitätsliga bei Montblanc eingeläutet. Wie wirkt sich dieser Zukauf auf die Marke aus?

 

Bislang waren wir mit unserer Uhrenproduktion in Le Locle dank vieler Neuheiten im Kernsortiment zwischen 2.000 und 5.000 Euro sehr gut aufgestellt. Ganz stark zugelegt haben wir allerdings im hochpreisigen Segment unserer Villeret Linie, also im Bereich über 25.000 Euro. Da konnten wir 2016 unseren Umsatz mehr als verdoppeln. Mit der Minerva Manufaktur, einem der sechs Schweizer Traditionsunternehmen, die auf eine 150-jährige, ununterbrochene Fertigung zurückblicken können, haben wir uns viel Expertentum, Know-how und fantastische Designs eingekauft. Das ist wie ein großer Schatz, der uns immer wieder zu neuen Produktideen verhilft, die einen AHA-Effekt in der Branche auslösen. So auch mit der 14 Gramm leichten Concept Watch, bei der auf alles Überflüssige verzichtet wurde, sogar auf das Zifferblatt.

Die Mehrheit Ihrer zum Großteil treuen Stammkunden kauft bisher nur aus einer Produktgruppe. Was tun Sie, um Schreibgeräte-Kunden von Ihren Uhren zu überzeugen und umgekehrt?

 

Wir sind eine Marke, die vom Traffic und vom Window-Shopping lebt. Klassisch haben wir viele Kunden, die gezielt nach einem ganz bestimmten Produkt fragen. Zumeist haben sie sich vorab sehr gut im Internet informiert. Unser Ziel ist es, dem Kunden die Welten von Montblanc zwanglos näherzubringen. Wir haben sehr gute Möglichkeiten, unsere Kunden enger an die Marke zu binden, vom Boutique-Event bis hin zu internationalen Veranstaltungen mit unseren Markenbotschaftern. Unser Ziel ist es, aus Verbundenheit und Wertschätzung mit dem Kunden in einen sehr persönlichen Kontakt zu treten, um zu erfahren, was er denkt und was er von der Entwicklung der Marke hält.

 

Herr Gößler, Sie sind für die Marke viel unterwegs gewesen. Mittlerweile macht Montblanc 90 Prozent des Umsatzes im Ausland, vorwiegend in Asien. Wie wichtig ist Ihnen der deutsche Markt, und was unterscheidet ihn?

 

Der deutsche Markt ist nicht nur unser Heimatmarkt, er ist in Europa auch der stärkste. Gut, in Asien sind wir heute sehr präsent, jedoch können wir im Kaufverhalten, wenn man beispielsweise Asien mit Europa vergleicht, keine signifikanten Unterschiede festellen. Vielleicht – aber das ist mein persönlicher Eindruck – wird in Deutschland vermehrt auf den technischen Hintergrund und die Materialität geachtet: Wie ist das Produkt gefertigt oder welche Materialien wurden verarbeitet? Grenzüberschreitend lässt sich sagen: Wer sich zum Kauf eines unserer Schreibgeräte oder einer Montblanc Uhr entschließt, hat sich davor zumeist intensiv damit beschäftigt.

 

Das Interview führte Gerd Giesler, CEO von Journal International – The Home of Content GmbH